Matriarchatsforschung
Die Modernen Matriarchatforschung erforscht die matriarchalen Gesellschaften weltweit. Die Aufmerksamkeit gilt sowohl diesen Gesellschaften in der Vergangenheit und den heute noch existierenden Gesellschaften in Asien, Afrika, Amerika und dem Pazifischen Ozean. Matriarchale Gesellschaften sind keine Umkehrung des Patriarchat mit Frauen statt Männern an der Spitze. Stattdessen zeigen sie sich alle als egalitäre Gesellschaften, in denen die Geschlechter und Generationen gleichwertig zusammenleben. Das heißt, sie kennen keine Klassen, Hierarchien und keine Herrschaft des einen Geschlechts über das andere.
Die herkömmliche, bürgerliche Matriarchatsforschung war voller Vorurteile und es fehlte ihr eine solide wissenschaftliche Grundlage. Das heißt, es wurde noch nicht einmal eine klare und genaue Definition dieser Gesellschaftsform gegeben. Dieser Mangel an wissenschaftlichem Vorgehen hat deshalb die Tür für emotionale und ideologische, d. h. rassistische und sexistische Unterstellungen geöffnet. Die eigenen patriarchalen Vorurteile sind beim Umgang mit diesem Thema nicht kritisch hinterfragt und aufgedeckt worden, was die Forschungsergebnisse verzerrt hat.
In den letzten Jahrzehnten wurde die Matriarchatsforschung von Heide Göttner-Abendroth auf einer wissenschaftlichen Grundlage neu konzipiert, was den Weg für die Moderne Matriarchatsforschung öffnete. Diese unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von der bisherigen Matriarchatsforschung:
- Sie formuliert eine genaue und umfassende Definition von „Matriarchat“.
- Sie braucht eine explizite Methodologie für ihren Untersuchungsbereich; diese beruht auf interdisziplinären Studien und einer Vielzahl von Methoden.
- Sie artikuliert eine systematische Kritik an der patriarchalen Ideologie, die in den gegenwärtigen Sozial- und Kulturwissenschaften vorherrscht.
Damit wurde eine neue sozio-kulturelle Wissenschaft geschaffen, die zugleich ein neues Paradigma darstellt. Die Kernthese dieses neuen Paradigmas ist, dass Frauen nicht nur durch lange geschichtliche Perioden Gesellschaft und Kultur geschaffen haben, sondern dass alle nachfolgenden kulturellen Entwicklungen darauf beruhen.
Auf drei Weltkongressen für Matriarchatsforschung und einem großen Kongress für Matriarchatspolitik, welche die Internationale Akademie HAGIA organisierte und Heide Göttner-Abendroth leitete, wurden matriarchale Gesellschaften erstmals einem großen, internationalen Publikum vorgestellt: der erste Weltkongress GESELLSCHAFT IN BALANCE in Luxemburg im Jahr 2003; der zweite Weltkongress SOCIETIES OF PEACE an der Texas State University/USA im Jahr 2005; der Kongress für Matriarchatspolitik DIE ZEIT IST REIF in der Schweiz im Jahr 2011.
Auf diesen Kongressen kamen internationale Wissenschaftler/innen zusammen, die in diesem Gebiet gearbeitet haben, und ebenso sprachen indigene Forscher/innen aus noch existierenden matriarchalen Gesellschaften. Sie stellten nicht nur die matriarchalen Muster vor, die ihre Gesellschaften bewahrt haben, sondern benannten auch die sozialen und politischen Probleme, die Kolonisierung und Missionierung für ihre Kulturen gebracht haben. Auf diese Weise korrigierten sie die verzerrte Sicht auf ihre besonderen Gesellschaften.
Lesen Sie mehr in:
Heide Göttner-Abendroth
Geschichte matriarchaler Gesellschaften und Entstehung des Patriarchats, Band III: Westasien und Europa
Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2019.
Heide Göttner-Abendroth
Matriarchale Gesellschaften der Gegenwart, Band II: Amerika, Indien, Afrika
Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2022
Heide Göttner-Abendroth
Matriarchale Gesellschaften der Gegenwart, Band I: Ostasien, Indonesien, Pazifischer Raum
Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2021
Zu den beiden Weltkongressen für Matriarchatsforschung
Heide Göttner-Abendroth (Hg.)
Gesellschaft in Balance
Kohlhammer Verlag und Edition Hagia, Stuttgart 2006
Heide Goettner-Abendroth (ed.)
Societies of Peace. Matriarchies Past, Present and Future
Inanna Press, York University, Toronto/Canada 2009
Das Gesamtwerk von Heide Göttner-Abendroth mit allen seinen Teilen befindet sich im MatriArchiv.